Christoph

2008

Öffne die Augen und lass Dich von Gottes Wind tra­gen“ war der Gedanke, der mich in die Wüste geführt hatte. Das zweite Hal­b­jahr 2007 war für mich in viel­er­lei Hin­sicht eine chao­tis­che Zeit, die mir bewusst machte dass ich drin­gend meine Pri­or­itäten im Leben ändern muss – vor allem meine geistigen.

Ich wusste schon im ersten Moment, als ich im Jan­uar den Flyer für die Exerz­i­tien das erste Mal vor Augen hatte, dass mir diese Tage viel von dem brin­gen wer­den, was ich mir erhoffte – was mir damals nicht klar war, war die Tat­sache, dass diese Tage zu den wichtig­sten Erfahrun­gen meines Leben zählen wür­den. Der Wind hat mich im übertra­ge­nen Sinne nach Hause gebracht.
Ein Segelflieger ver­traut sich den irdis­chen Winden an und baut dafür auf drei Säulen. Er braucht ein Flugzeug, Ken­nt­nisse der Fliegerei und Erfahrung um sich den Winden zu stellen. Um vom Boden wegzukom­men benötigt er zuerst ein anderes Flugzeug (Schleppflugzeug) oder eine Winde, die ihn in die Luft befördert. Danach ver­traut er auf diese drei Säulen und nutzt sie, um in große Höhen vorstoßen zu können.

Ver­trauen ler­nen

Mich dem geisti­gen Wind in Sinai anzu­ver­trauen kostete mich zu Beginn einige Schwierigkeiten. Die erste Hürde war noch ganz ein­fach: Mein Schleppflugzeug zum Sinai waren Fre­unde die mir den Kon­takt zur Gemein­schaft Emmanuel hergestellt hat­ten und die Anmelde­for­mal­itäten. Dann jedoch wurde das Ver­trauen schon auf die Probe gestellt. Ich bin es eigentlich aus beru­flichen Grün­den gewöhnt die Dinge kon­trol­lieren zu müssen. Mich der Organ­i­sa­tion hinzugeben – nicht ein­mal die Uhrzeit zu ken­nen – war für mich ein har­ter Brocken. Die Organ­i­sa­tion war mein Segelflugzeug in das ich mich gesetzt hatte. Ich saß darin und kon­nte nicht mehr raus. Unter mir waren bere­its mehrere hun­dert Meter Luft und meine einzige Chance war es davon auszuge­hen dass mein Flugzeug sicher ist. Nach­dem mir das gelang, entspan­nte ich mich und kon­nte mich auf die anderen bei­den Säulen konzentrieren.

Fliegen ler­nen

Fliegen zu kön­nen erfordert ein gewisses Grund­ver­ständ­nis für die Funk­tio­nen eines Flugzeuges. Der Pilot muss wis­sen welchen Hebel er wie und zu welcher Zeit ziehen muss. Manch­mal kommt es sogar auf die richtige Rei­hen­folge an in der Knöpfe und Schal­ter bedi­ent wer­den. So ist es auch in der Reli­gion. Obwohl ich in meinem Leben schon oft Gottes­di­en­ste besucht habe wurde mir bewusst, dass ich viele der Abfol­gen bei der heili­gen Messe oder bei der Anbe­tung nicht kan­nte und/oder nie beachtet hatte. Ich war während der Pil­ger­fahrt tat­säch­lich das erste Mal in meinem Leben Min­is­trant und hab mich gefühlt wie ins kalte Wasser gewor­fen. Aber im Laufe der ersten Tage habe ich meine Augen und Ohren offen gehal­ten und habe mir die Ken­nt­nisse angeeignet, die mir gefehlt hat­ten. Je mehr sich die Abläufe für mich automa­tisierten, desto leichter kon­nte ich den Inhal­ten fol­gen und meinen Geist öffnen.

(Aus der) Erfahrung ler­nen

Die dritte Säule ist die Erfahrung des Piloten. Die Erfahrung verbindet sein fliegerisches Wis­sen mit seinem Gefühl für den Wind und dem Ver­trauen auf die Leis­tungs­fähigkeit seines Flugzeuges. Aus der Erfahrung wird Erken­nt­nis und aus dieser wird Wis­sen. Im Sinai war ich ein Flugschüler der über wenig Erfahrung ver­fügte. Während der zehn Tage bin ich unzäh­lige Male in die Luft aufgestiegen und habe Erfahrung gesam­melt. Ich habe meine Augen geöffnet und bin auf alles zuge­gan­gen. Zuerst war ich rest­los überfordert von der geisti­gen Fülle die mir geboten wurde. Dann hat Rolf — einer der bei­den Priester die unsere Gruppe begleit­eten — etwas gesagt, das mir dabei geholfen hat mir aus der Fülle das zu nehmen was für mich richtig war. Rolf sagte: „Diese Exerz­i­tien sind wie ein Buf­fet. Ich darf nicht ver­suchen alles zu nehmen, das wäre zu viel, son­dern nur dass was mir schmeckt.“ So habe ich Schritt für Schritt das gegessen was für mich da war und habe meine Erfahrun­gen gemacht und diese in Erken­nt­nis und Wis­sen umge­setzt. Die Fra­gen die ich mir für diese Tage mitgenom­men habe, wur­den beant­wortet; ich lernte die Worte der Bibel und die der Predigten nicht nur zu hören son­dern auch mit dem Herzen zu ver­ste­hen; das Kreuz bekam für mich eine neue sym­bol­is­che Bedeu­tung — und vieles mehr. Es würde den Rah­men des Berichts spren­gen, wenn ich alle kleinen und großen Lern-Erfahrungen nen­nen würde die mir zuteil wurden.

Der Wind der mich trägt

Flugzeug, Wis­sen und Erfahrung sind notwendig um Fliegen zu kön­nen, aber ohne die Luft würde kein Flugzeug abheben. Die Luft, ein Gas­gemisch beste­hend haupt­säch­lich aus Stick­stoff und Sauer­stoff, ist es, die dem Flugzeug den Halt gibt. Das tra­gende Ele­ment für meine Exerz­i­tien — die Luft unter meinen Flügeln — war auch ein Gemisch aus ver­schiede­nen Kom­po­nen­ten. Einen großen Anteil hatte die Gemein­schaft der Pil­ger­gruppe. Die Men­schen die sich zu Beginn fast alle fremd waren haben sich in kürzester Zeit zu einer Fam­i­lie zusam­mengeschlossen mit einem Zusam­men­halt der in vie­len Schulk­lassen nach 8 gemein­samen Jahren nicht erre­icht wird. Die Liebe die spür­bar war hat viele von uns durch die Berge getra­gen. Ein weit­erer Bestandteil der Luft war das Wet­ter. Während der Tage gab es Son­nen­schein, Regen-, Schnee– und Grau­pelschauer. Es war heiß und eiskalt. Und immer zur richti­gen Zeit. Passend zu den Inhal­ten der Predigten hat sich das Wet­ter verän­dert und uns allen viel gelehrt. Der dritte und wichtig­ste Anteil an meiner Luft war das Wort Gottes. Ich habe die täglich vorge­se­hene Zeit für das Studium der Bibel genutzt und mich vor allem in Gen­e­sis und Exo­dus ver­tieft. Diese Teile der Bibel zu lesen während ich sel­ber in der Wüste Sinai war, hat mich tief berührt.

Die Rück­kehr

Ich kann mich an keine Reise erin­nern aus der ich mit so schw­erem Herzen wieder zurück­gekom­men bin. Trotz der Unan­nehm­lichkeiten – wie die fehlen­den san­itären Ein­rich­tun­gen – wollte ich nicht zurück in die überfüllte Welt hier in Deutsch­land. Erst nach mehreren Tagen habe ich mich akkli­ma­tisiert. Ich bin wieder zuhause gelandet, jedoch ist eines sicher: Der Flug in der Wüste hat mich verän­dert. Rolf hat uns noch einige Dinge mit auf den Weg gegeben. Unter anderem hat er uns daran erin­nert, dass wir das Licht der Welt sind. Uns Pil­gern ist das in Sinai bewusst gewor­den und nun sind wir gerufen Sonne zu sein. Ich bin bemüht.